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Vermutlich sind es die Autofahrer, die es als letzte erfahren werden: Die Zeitung stirbt. Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel ahnen es jedoch schon lange: Plötzlich herrscht mehr Platz in Bussen und Bahnen und niemand schlägt einem beinahe ins Gesicht, wenn er eine Seite seines großformatigen Exemplars umschlägt.

Alle starren auf ihr Tablet oder ihr Smartphone und versorgen sich bereits vor der Arbeit mit den neuesten Nachrichten. Sie sind es, die beim Büroklatsch mithalten können und sie schonen die Umwelt: Immerhin müssen für all die Zeitungen, die nicht mehr gedruckt werden, auch keine Bäume sterben. Ein Hoch auf den Umweltschutz!

 

Zellstoff vs. Seltene Erden

 

Solange der für die Papierherstellung benötigte Zellstoff aus dem eigenen Land stammt, kann der Rückgang der Zeitung nur eines erreichen: Besitzern von Nutzwäldern wird ein Teil ihrer Lebensgrundlage entzogen. Stattdessen verbrauchen wir mehr und mehr des raren Rohstoffs Seltene Erden für die Herstellung von elektronischen Geräten. China ist seit 2010 unangefochtener Marktführer bei der Förderung der wertvollen Ressource: 95 % stammen von dort.

Dass der Abbau nur zum Preis säurehaltiger und damit schwer umweltschädlicher Schlämme vonstattengehen kann, interessiert den deutschen Wald nicht. Global betrachtet kann jedoch nur eingeschränkt von Umweltschutz gesprochen werden, wenn ein Gift gegen das andere getauscht wird. Von der Abhängigkeit zu China, in die wir uns begeben, soll an dieser Stelle nicht einmal die Rede sein.

 

»Mama, wer ist denn der Mann da?«

 

So oder ähnlich werden Kinder zukünftig fragen, wenn die gedruckte Zeitung ausgestorben ist und Ehemann und Vater sich nicht mehr hinter ihrer Lieblingslektüre am Frühstückstisch verstecken können. Allerdings ist die Gefahr groß, dass die Frage etwa so formuliert ist: »Mom, wer ist denn der Homie?« Denn mit dem Wegfall des gedruckten Wortes stirbt mehr als nur der deutsche Blätterwald. Die Sprache verkommt. Die Aufmerksamkeitsspanne am Bildschirm ist bedeutend geringer verglichen mit der Aufmerksamkeit, die Leser dem gedruckten Wort schenken.

Das führt zu veränderten Ansprüchen an den Autor, wenn er für die Publikation im Internet schreibt: Keep it short and simple (KISS) lautet hier die Devise. Keine langen Sätze, kein aufwendiger Satzbau, keine anspruchsvolle Sprache. Besonders Adjektive haben es auf die Liste der verpönten Wörter im Internet geschafft. Sie gelten als verzichtbare Füllwörter und entlarven Wortschinderei. Doch mal ganz unter uns: Was bleibt, wenn man dem »zauberhaften, verspielten Dirndl mit floralen Borten und liebevollen Details« die Adjektive nimmt?

Genau, ein Dirndl. Und das hätte die Leserin sicher auch ganz ohne Worte verstanden. Stirbt das gedruckte Wort, erlebt auch die deutsche Sprache eine Reduktion auf ein Minimum dessen, was zur Übermittlung von Inhalten gerade noch notwendig ist. Vielleicht sind wir dann nur noch ein Volk der Denker. Für das Dichten wird unser aktiver Sprachschatz sicher zu klein geworden sein.

 

Führende Zeitungsmacher schlagen Alarm

 

Auf Einladung des Kulturausschusses des Bundestags erschienen im Februar Vertreter deutscher Verlage aus deren Führungsriegen. Diskutiert werden sollte die Zukunft der Presse. Nachdem die Financial Times Deutschland ihr Erscheinen eingestellt und auch die Frankfurter Rundschau Insolvenz beantragen musste, wollte sich der Kulturausschuss darüber informieren, wie es mit der Presselandschaft und dem gedruckten Wort in Deutschland weitergehen kann. Das Ergebnis scheint sich am ehesten noch mit Ratlosigkeit beschreiben zu lassen. Immerhin konnte der Feind entlarvt werden: das Internet und die Konkurrenz aus dem TV.

 

Subventionen »Nein Danke«

 

Der Vorschlag, den Zeitungsverlagen mit Subventionen unter die Arme zu greifen, fand keine Zustimmung. Man wolle unabhängig bleiben. Wenn man allerdings bedenkt, dass sich die Verlage nur zum Teil aus Verkäufen finanzieren und auf weitere Einnahmen aus Werbeanzeigen angewiesen ist, darf diese Unabhängigkeit womöglich infrage gestellt werden: Gehört ein großer Lebensmittelkonzern zu den regelmäßigen Anzeigenkunden, ist es fraglich, ob genau dieses Blatt auch bereit wäre, einen kritischen Artikel zu veröffentlichen, der sich mit den Machenschaften des Kunden beschäftigt. Je fragiler die Finanzdecke ist, desto größer wohl auch die Scheu, ungehemmt über alles zu berichten, was den Leser interessieren könnte und eine Nachricht wert wäre.

 

Appell an die Mitbewerber

 

Die RTL-Gruppe und ProSiebenSat.1 gelten für die Zeitungsverlage als schärfste Konkurrenz um Werbekunden. 90 % des Werbemarktes können die Sender auf sich vereinen. Da bleiben für andere Medien nur noch Krumen. Sollten sich Fernsehmacher dann auch noch mit dem Genre Zeitung und Nachrichten beschäftigen, sehen die Verlage sich in ihrem Überleben deutlich gefährdet. So ergeht an die öffentlich-rechtlichen Sender der Appell, nicht zusätzlich zum TV-Programm News-Formate im Internet anzubieten. Da allerdings auch diese genötigt sind, ihre Zielgruppe gemäß deren Bedarf zu bedienen, um Kritik an den Gebühren zu vermeiden, bleibt fraglich, ob der Aufforderung Folge geleistet werden kann.

 

… und über allem schwebt Google

 

Wie ein Damoklesschwert muss die populärste aller Suchmaschinen den Verlagen erscheinen. Google ist es, die das Urheberrecht brechen, indem sie ohne Genehmigung Auszüge der Artikel in den Suchergebnissen öffentlich darstellen, so sagen sie. Dass die Darstellung dieser Suchergebnisse erst zum finalen Klick führt, scheint bei den Verlagen in den Hintergrund zu treten. So sehen auch andere Medien den Schwarzen Peter weniger bei den Suchmaschinen, sondern darin, dass die Verlage nicht zeitig genug Investitionen in die Online-Redaktionen unternommen und mobile Technologien entwickelt haben. Nun haben sie das Nachsehen.

 

Zukunft ohne gedruckte Zeitung

 

Tatsache scheint zu sein, dass nicht nur unsere Medienlandschaft ärmer wird ohne Zeitungen, auch die Sprache verkommt. Wenn man die Nachricht vom Rücktritt des Papstes bereits veröffentlichen will, während dieser sich noch vom Stuhl erhebt, von dem aus er seine Entscheidung verkündete, bleibt für Lektorat keine Zeit. Schon immer lebten Zeitungen von ihren guten Recherchen und gleichzeitig davon, die Ersten zu sein, die eine Meldung brachten. Durch das enorme Tempo, welches das Internet ermöglicht, bleibt immer etwas auf der Strecke – und sei es nur die korrekte Rechtschreibung.

Mehr Zeit in gute Artikel zu investieren und sich darauf zu konzentrieren, Qualität auch in modernen Zeiten zu garantieren, kann dazu führen, dass die Verlage auch in naher Zukunft noch das machen, was sie am besten können: Sauber recherchierte Nachrichten bringen, sie mit beeindruckenden Bildern garnieren und dabei noch die Sprache pflegen. Für gemütliche Sonntage, Bahnfahrten zur Arbeit oder einfach zum Sammeln und später noch einmal ansehen. Auch gern – besonders gern – auf Papier.

 

Wie sind Ihre Gedanken zum Thema? Wir freuen uns auf Ihre Meinung.

photo credit: c_pichler via photopin cc

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