Mezzotinto-Ausstellung Mainz

Die Ursprünge digitaler Bilddarstellung liegen im 17. Jahrhundert. Vor 400 Jahren wurde Ludwig von Siegen, der Erfinder des Mezzotintos, geboren. Eine Ausstellung in Mainz widmet sich der „Schwarzen Kunst“.

Der deutsche Kunsttheoretiker und Maler Joachim von Sandrart berichtet 1675 in seinem Malereitraktat, es sei ein Zufall gewesen, durch den einem deutschen Offizier beim Gewehrputzen die Idee zu der neuen graphischen Drucktechnik des Mezzotinto gekommen wäre. Die Abschätzigkeit dieser Anekdote zu der Erfindung ist bezeichnend. Sandrart gehörte zu den Verfechtern einer akademischen Kunsttheorie, und die war durch die Vorgehensweise und die Ergebnisse des Mezzotinto, auch Schwarze Kunst oder Schabkunst genannt, irritiert.

Auch wenn Sandrart die Schabkunst als „zierliche Übung“ abtat, so musste er doch eingestehen, dass sie gegenüber Radierung und Kupferstich „größte Natürlichkeit“erzeuge, und „daß dergleichen weder mit dem Grabstichel noch durch Aetzen in Kupfer zu erhalten ist“.

Die Besonderheit des Verfahrens ist rasch erklärt: Wurden bisherige Tiefdrucke, etwa der Kupferstich oder die Radierung, durch Zeichnen und Schraffieren mit einem scharfen Werkzeug auf einer glatten oder mit einer Schutzschicht präparierten Druckplatte aus Kupfer erzeugt, so drehte das Mezzotintoverfahren alles Bisherige ins Gegenteil. Die Idee ist die einer gleichmäßig aufgerauten Druckplatte aus Kupfer als Ausgangspunkt.

Auf dieser gerasterten Fläche werden nun durch Glätten der Erhebungen und Vertiefungen durch ein Schabeisen Flächen erzeugt, die keine Farbe aufnehmen können. Das Bild wird dabei in subtraktiver Vorgehensweise aus dem Dunkel der Grundfläche gearbeitet. Anders als bei früheren Drucktechniken, wie Holzschnitt oder Kupferstich, ist der Erfinder des Mezzotinto bekannt und dokumentiert.

Bild ohne Zeichnung

Der Soldat und Künstler Ludwig von Siegen erfand 1642 das Raster für die Bilddarstellung und zugleich die erste Drucktechnik, mit der Halbtonwerte erzeugt werden konnten. Das Ergebnis befremdete die Kunsttheorie und begeisterte Sammler. Ein Bild ohne Zeichnung war seit den Anfängen theoretischer Betrachtungen im Italien des 15. Jahrhunderts kaum vorstellbar. Seit Albertis Malereitraktat hatte die Zeichnung eine unangefochtene Bedeutung für die Komposition von Bildern und im 16. Jahrhundert stellten Theoretiker wie Giorgio Vasari und Paolo Lomazzo die Qualität einer Malerei, die scheinbar ohne das Mittel der Zeichnung agierte, sogar in Frage.

Demgegenüber zeigten die Resultate einiger Schabkünstler aber Effekte, welche mit der bisherigen Druckgraphik nicht zu erzielen waren. Kein Kupferstich war in der Lage, das satte Schwarz und die Chiaroscuro-Kontraste eines Mezzotintodrucks zu erreichen. Keine Technik konnte Gemälde überzeugender kopieren, denn die Halbtonschritte des Mezzotinto ähneln dem Arbeiten mit Tonwerten in der Malerei.

Ludwig von Siegens Erfindung ist verbunden mit der Erkenntnis, dass Linien und homogen erscheinende Flächen aus einer Vielzahl kleinster Punkte bestehen, also durch Raster aufgelöst sind. Dieses Denken wird auch im Bereich der Naturwissenschaft und Philosophie des 17. Jahrhunderts durch Wissenschaftler und Intellektuelle wie Johannes Kepler, René Descartes, Robert Boyle, Robert Hooke und durch Künstler wie Abraham Bosse entwickelt. Ausgangspunkt für die Gedanken dieser Forscher waren Beobachtungen an Mikrostrukturen von Oberflächen, die durch die Entwicklung verbesserter Mikroskope seit dem frühen 17. Jahrhundert möglich waren.

Wissen um die Zerissenheit glatter Oberflächen

Das Wissen um die Zerklüftung und Zerrissenheit scheinbar glatter Flächen, die Beobachtung, dass Linien und Punkte aus Millionen kleinster Pünktchen bestehen, hatte Auswirkungen auf die Wahrnehmungstheorie der Zeit. Die Erfindung des Mezzotintos als erster Rasterdrucktechnik bedeutete dabei eine praktische Umsetzung der von Theoretikern in verschiedenen Bereichen der Naturwissenschaften und Philosophie in dieser Zeit propagierten Erkenntnis, dass die Vorstellung einer geschlossenen Fläche und die Stimmigkeit einer Linie eine Illusion ist.

Ludwig von Siegens Erfindung zeigte, dass ein neuer Weg in der Graphik abseits der traditionellen Regeln der Bildgestaltung, zu beachtlichen Ergebnissen führen konnte. Paradox erscheint dabei, dass dies zu einer Zeit der großen Erfolge des Akademismus in der Kunsttheorie geschah, deren starre Vorstellungen diese Erfindung ja Lügen strafte.
Im 17. Jahrhundert wurden in vielen europäischen Städten Kunstakademien gegründet, die eine bedeutende Rolle bei der Ausbildung von Künstlern, der allgemeinen Geschmacksbildung und bei der Ausrichtung künstlerischer Programme übernahmen.

Die Entwicklung Ludwig von Siegens Erfindung lag abseits der Regeln und Vorstellungen eines starren Akademismus, wie übrigens auch das, was über sein Leben bekannt ist, in keines der Schemen einer künstlerischen Karriere passen will.

Seine Biographie tritt nur an einigen Punkten aus dem Dunkel der Geschichte. 1609 in Utrecht als Sohn deutscher Eltern aus niederem Adel geboren, begann er eine militärische Laufbahn und war dann bis 1641 als Kammerjunker und Zeichenlehrer des jungen Landgrafen am Hof der Landgräfin von Hessen-Kassel.

Die bahnbrechende Erfindung, die Ludwig machte, ist durch einen Briefwechsel mit dem jungen Landgrafen von Hessen-Kassel aus dem Jahr 1642 gut dokumentiert. Von Amsterdam schickte der inzwischen zum katholischen Glauben konvertierte Ludwig das Porträt der Mutter Landgräfin Amalia Elisabeth und er beschrieb in Anspielungen in einem Brief die neue Technik. Weitere Porträts folgten, aber bald ging von Siegen wieder in militärische Dienste und unterbrach seine künstlerische Tätigkeit für etwa zehn Jahre. Erst ab 1653 trat er wieder mit seinem neuen Druckverfahren hervor.

Eine „ars nova“

Als Obristwachtmeister am Hof des Mainzer Kurfürsten Johann Philipp von Schönborn gab er dort in den fünfziger Jahren, sein Wissen an verschiedene adlige Dilettanten und Berufskünstler weiter. Zu den frühen Protagonisten der „ars nova“ um Ludwig von Siegen gehörten Prinz Ruprecht von der Pfalz, Sohn des Winterkönigs und Neffe Karls I. von England und der Dompropst Dietrich Caspar von Fürstenberg. Beide haben als Laien beachtliche Mezzotintodrucke angefertigt, und sie teilten die neue Technik bald Berufskünstlern, wie dem Niederländer Wallerant Vaillant mit, der die Technik verfeinerte und auf ein professionelles Niveau brachte. Andere wichtige Neulinge auf dem Gebiet des Mezzotinto aus dem Kreis der 1650er Jahre waren der Maler Jan Thomas und die späteren Hofmaler Jodocus Bickart und Caspar Dooms.

Vielen der frühen Mezzotinter sind gebrochene, vom Dreißigjährigen Krieg gekennzeichnete Biographien gemeinsam. Es sind Lebensläufe, die an Grimmelshausens Simplicissimus erinnern, gekennzeichnet durch häufige Ortswechsel, Exil, Gefangenschaft, Versuche, an verschiedenen Höfen Karriere zu machen. Einige betätigten sich wie Prinz Ruprecht und Friedrich Caspar von Fürstenberg als Alchimisten, einige können als Projektemacher bezeichnet werden.

Prinz Ruprecht, dessen Biographie natürlicherweise besser als andere dokumentiert ist, versuchte sich als Feldherr, Admiral und Söldnerführer in verschiedenen Kriegen, er befehligte Kriegsschiffe, meist im Dienst der englischen Royalisten, trieb sein Unwesen als Piratenkapitän im Kanal und vor den Westindischen Inseln und gründete auf eigene Faust eine Kolonialgesellschaft, die Hudson Bay Company, welche die einheimische Bevölkerung in Kanada grausam ausbeutete.

Als Alchimist erfand Ruprecht das so genannte Prinzenmetall und nicht zuletzt fertigte er Mezzotintodrucke von brillanter Qualität nach alten Meistern, die erheblich dazu beitrugen, dass die Schabkunst nach England kam und dort im 18. Jahrhundert zur größten Blüte gelangte. Ludwig von Siegen gab zwischen 1653 und 1658 sein bis dahin gehütetes Geheimnis zur Mezzotintotechnik weiter. Nach seiner für die Verbreitung der Schabkunst so wichtigen Mainzer Zeit wechselte Ludwig in die militärischen Dienste des Herzogs von Wolfenbüttel. Er starb nach 1676.

Die Idee der Bilddarstellung durch ein Raster wurde im frühen 20. Jahrhundert mit dem Offsetdruck wieder aufgenommen und sie löste im Bereich der Digitalisierung in den vergangenen zwanzig Jahren nahezu alle anderen Techniken der Bildreproduktion ab. Das Mainzer Landesmuseum und das Gutenbergmuseum widmen im Oktober und November dem Mezzotinto eine gemeinsame große Ausstellung mit dem Titel „Die also genannte Schwarze Kunst in Kupfer zu arbeiten“.

Quelle: Franfurter Rundschau

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