Vor über 500 Jahren wurde der Buchdruck erfunden. Doch zurzeit geht es der Druckbranche in Deutschland so schlecht wie nie zuvor.

 

Geht etwas schief, suchen die Menschen immer und automatisch einen Schuldigen. Doch für die anhaltende und schwerwiegende Krise in der Druckbranche gibt es keinen wirklichen Schuldigen. Sie ist eher die Folge einer scheinbar unaufhaltsamen und langen Entwicklung in den letzten zwanzig Jahren. In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts war in der Welt der Druckbranche noch alles in bester Ordnung. In dieser Boomphase blühte das Geschäft mit der Werbung und mit ihm die Druckindustrie. Aufgaben wurden optimiert bzw. standardisiert, viele Unternehmen suchten sich eine Spezialisierung bzw. Nische und es gab genügend „sehr gut“ bezahlte Arbeit für jeden in der gesamten Druckbranche.

 

Mit dem Wachstum und der Verbreitung des Internets und ab der Jahrtausendwende dann, änderte sich vieles in der grafischen Industrie. Das Volumen für Print-Aufträge schrumpfte, gleichzeitig wollten die Menschen immer weniger Geld für Qualität ausgeben, was sich für die Druckbranche sehr negativ auswirkte.

Zusätzlich zu den Internet-basierten elektronischen Ausschreibungs- und Vergabeplattformen werden heutzutage Aufträge durch so genannte „reversed auctions“ ausgegeben. Druckereien können dabei online auf einen Auftrag bieten und den jeweils niedrigsten Preis weiter unterbieten. Braucht eine Druckerei einen bestimmten Auftrag, muss sie wirklich bis ans Limit gehen – und oft auch darüber hinaus.

 

Das Ergebnis ist ein andauernder Verteilungskampf am Markt. Seit dem Jahr 2005 hat sich dieser Kampf immer weiter verschärft und somit haben sich die Grenzen zwischen den unterschiedlichen Druckverfahren verschoben: zwischen Bogenoffset und Digitaldruck, zwischen Rollenoffset und Bogenoffset und zwischen Rollenoffset und Tiefdruck. Standardprodukte in kleinen Auflagen, wie Flyer, Visitenkarten und Broschüren wanderten komplett zu den günstigen Druckereien im Internet ab.

Viele alteingesessene und klassische Druckereien suchten Hilfe für ihre Probleme und glaubten, sie in der konsequenten Stückkosten-Reduzierung gefunden zu haben. Die neuen Maschinen im Rollen- und Bogenoffset erhöhten die Laufleistung und reduzierten die Rüstzeiten. Es wurden Maschinen für viel Geld angeschafft, die dann auch ausgelastet werden mussten – buchstäblich um jeden Preis, um die angestrebte rechnerische Stückkostenreduzierung zu erreichen und die Fremdkapitalkosten zu decken.

Zwangsweise setzten die Druckhäuser weiterhin die Kostenbremse dort an, wo sie sie überhaupt noch bewegen konnten: Bei den Personalkosten pro Mitarbeiter und bei der Personaldecke insgesamt. In der Zeit von 2000 bis 2011 hat sich die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Angestellten in der Druckbranche um gut 30 Prozent reduziert. Auch das Marktvolumen schrumpft weiter, über alle Marktsegmente hinweg. Selbst besondere Dienstleistungen und die Spezialisierung vieler Druckereien bieten mittlerweile keinen Schutz mehr vor der Krise in der Druckbranche.

Das große Problem ist, dass die Kapitaldecke bei vielen Druckdienstleistern so dünn geworden ist. Aus den oben beschriebenen Gründen steigt gleichzeitig der Investitionsdruck.

Und wer in der Druckbranche betriebsbedingt Personal abbauen muss, muss zuerst einmal Geld für Abfindungen in die Hand zu nehmen. Als einziger Ausweg bleibt deshalb vielen Unternehmen nur noch die Insolvenz. Das Insolvenzgeld sichert für drei Monate alle Personalkosten ab und es fällt den Unternehmen in der Druckbranche so leichter, Altschulden durch einen Verzicht der Gläubiger abzubauen und die Personalstärke den Marktanforderungen anzupassen.

Die verbliebenen Mitarbeiter in den Firmen und Unternehmen der Druckbranche müssen hohe Verdiensteinbußen akzeptieren, für die Druckerei reduziert sich weiterhin der Personalkostenanteil an den Stückkosten. So entsteht ein verheerender Teufelskreis für den Markt der Druckbranche. Wird ein Unternehmen nach der Insolvenz weitergeführt, erhöht es seine Wirtschaftlichkeit und hat eine bessere Kostenstruktur bei reduzierter Größe. Und es ist in der Lage seine Leistung am Markt günstiger anzubieten.

Das Ergebnis sieht man heute schon in der Welt der Druckbranche. Durch den entstandenen Teufelskreis wird sich der Wettbewerb am schrumpfenden Markt weiter verschärfen. Die Lage ist eine völlig andere als z.B. in der Stahlindustrie. Diese wird zu ihrer alten Hochform und Stärke zurückfinden, wenn die Weltwirtschaft wieder anspringt. Für die Druckindustrie sieht die Realität nicht so rosig aus.

 

Wenn man die Druckbranche in den letzten zwanzig Jahren realistisch betrachtet, sieht die Zukunft nur für diejenigen Unternehmen positiv und optimistisch aus, die den neuen und entscheidenden Schlüsselbegriff kennen: Substanz. Nur die Firmen in der Druckbranche, die genug Kapital haben um zu investieren, werden am Markt weiterhin überleben und die Krise bewältigen. Sie müssen in der Lage sein, die Auftragsverluste zeitweilig „auszuhalten“ und einen unvermeidlichen Personalabbau finanzieren können, wenn er sich klar auf ein Marktsegment ausrichtet.

 

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